Wie Digitalisierung und Smart Devices die Versorgung revolutionieren

Die deutsche Gesundheitsversorgung steht vor grundlegenden Veränderungen. Am  Beispiel der  Diabetologie wird deutlich, wie tiefgreifend diese Entwicklungen tatsächlich sind: Die Zahl der Patient:innen steigt, während immer weniger spezialisierte Fachärzt:innen zur Verfügung stehen. Diese Kombination aus einem wachsenden Bedarf an medizinischer Versorgung und dem zunehmenden Mangel an Fachpersonal führt unweigerlich zu einem Versorgungsengpass, der das gesamte Gesundheitssystem unter Druck setzt. Doch statt vor diesen Herausforderungen zu resignieren, eröffnet sich die Chance, neue, zukunftsweisende Lösungsansätze zu erkunden. Welche Möglichkeiten sich dabei bieten und welche Schlüsselrolle die Medizintechnik in diesem Kontext spielen kann, wird in diesem Artikel näher beleuchtet.

Ein beunruhigender Trend: Mehr Patient:innen, weniger Fachpersonal

Laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) gab es im Jahr 2023 rund 11 Millionen Menschen mit Diabetes in Deutschland – eine Zahl, die sich laut aktuellen Prognosen auf 12 Millionen bis 2030 erhöhen könnte. Gleichzeitig geht die Anzahl der Diabetolog:innen kontinuierlich zurück. Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigen (KBV) zeigen, dass gegenwärtig etwa 4.300 Diabetolog:innen im Land tätig sind, doch diese Zahl könnte laut der KBV bis 2030 auf rund 3.400  Fachärzt:innen sinken. Das bedeutet, dass immer mehr Patient:innen von einer immer geringeren Anzahl an Fachkräften versorgt werden muss.

Die dargestellte Entwicklung führt unweigerlich zu Nachteilen für beide Seiten – die Mitarbeitenden sind zunehmend überlastet, Wartezeiten verlängern sich, und die Qualität der Patientenversorgung könnte darunter leiden. Diese wachsende Diskrepanz zwischen steigender Patientenzahl und der abnehmenden Anzahl an spezialisierten Ärzt:innen betrifft jedoch nicht nur die Diabetologie, sondern zahlreiche weitere Indikationen. Während der Bedarf an medizinischer Betreuung zunimmt, stagniert die Versorgungskapazität oder schrumpft sogar. Diese Konstellation stellt eine ernsthafte Gefahr für die Versorgungsqualität dar – sowohl im Bereich Diabetes als auch in vielen anderen medizinischen Fachgebieten.

Daher müssen dringend Lösungsansätze gefunden werden – möglichst schnell, kostengünstig und zugleich realistisch umsetzbar.

Lösungsansatz 1: Mehr Fachkräfte – Realistisch?

Ein naheliegender Ansatz zur Bewältigung dieses Problems wäre die Steigerung der Anzahl an Diabetolog:innen. Ist das realistisch? Wohl kaum, denn die Ausbildung von qualifizierten Fachpersonal ist ein langwieriger und komplexer Prozess. Die Rekrutierung zusätzlicher Fachkräfte aus dem Ausland ist mit Herausforderungen im Bereich der Anerkennung von Qualifikationen, Sprachbarrieren und der Integration ins deutsche Gesundheitssystem verbunden. Auch eine Verlängerung des Rentenalters oder eine höhere Wochenarbeitszeit, wird wohl kaum auf Akzeptanz bei den betroffenen Fachärzt:innen stoßen. Außerdem birgt dieser Ansatz das Risiko, dass die Qualität der Betreuung leidet, wenn überlastetes Personal mehr Patient:innen in kürzerer Zeit behandeln muss. Dieser Ansatz erscheint daher wenig praktikabel.

Lösungsansatz 2: Prävention und sinkende Inzidenz – zeitnah umsetzbar?

Weniger Neuerkrankungen durch Prävention und innovative Medikamente würden natürlich den Druck auf das Gesundheitssystem reduzieren. GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT-2-Hemmer sind vielversprechende Entwicklungen in der Diabetestherapie. Auch könnte eine Impfung gegen Typ1-Diabetes eine zukünftige Lösung darstellen. Prävention ist daher ein wichtiger Bestandteil der Diabetesversorgung und kann langfristig zur Senkung der Diabetesrate beitragen. Doch eine sofortige Entlastung und  kurzfristige Trendumkehr in der Diabetesprävalenz, wie wir sie in den nächsten Jahren brauchen, werden diese Ansätze wohl nicht bringen.

 

Während die Ausbildung zusätzlicher Ärzt:innen oder die Reduktion der Erkrankungszahlen langfristige Lösungen sind, bietet jedoch der Einsatz moderner, smarter Medizintechnik in Verbindung mit der Digitalisierung eine sofort umsetzbare Möglichkeit, die Effizienz der bestehenden Versorgungsstrukturen spürbar zu verbessern. Durch innovative Technologien können Arbeitsabläufe optimiert und medizinische Ressourcen gezielter eingesetzt werden, was zu einer schnellen und nachhaltigen Verbesserung der Versorgung führt.

 

Lösungsansatz 3: Smarte Medizintechnik – Wegbereiter für die Zukunft!  

Der somit vielversprechendste Ansatz liegt in der Digitalisierung der Versorgung, insbesondere durch den Einsatz moderner, innovativer Medizintechnik. Digitale Technologien, wie vernetzte Geräte und smarte Medizingeräte, ermöglichen es, Prozesse effizienter zu gestalten und eine größere Anzahl von Patient:innen zu betreuen, ohne die Versorgungsqualität zu beeinträchtigen. Gleichzeitig fördern digitale Lösungen das aktive Selbstmanagement der Patient:innen, beispielsweise durch smarte Insulin-Pens oder automatische Insulinabgabesysteme, wodurch der Bedarf an direkter Betreuung durch Fachpersonal reduziert wird.

Diese und weitere digitale Werkzeuge leisten bereits heute einen bedeutenden Beitrag zur Entlastung des Gesundheitssystems. Im Folgenden werden sie näher betrachtet und ihre Potenziale für die zukünftige Versorgung aufgezeigt.

Medizinprodukte und Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs)

Das Zusammenspiel von modernen Medizinprodukten und digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) ist ein wichtiger Baustein für den zukünftigen Erfolg der MedTech-Branche. Technologien wie kontinuierliche Glukosemesssysteme (CGM) und automatische Insulinabgabesysteme (AID) ermöglichen es den Patient:innen, ihren Blutzuckerspiegel eigenständig und präzise zu überwachen. Dies verbessert nicht nur die Lebensqualität, sondern reduziert auch den Bedarf an häufigen Arztbesuchen.

In Kombination mit digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) entfaltet sich das volle Potenzial dieser Technologien: DiGAs verknüpfen die von den Geräten gesammelten Daten mit einer intelligenten Plattform. Durch Bereitstellung der Daten in Echtzeit kann somit die Kommunikation zwischen Patient:innen und Fachpersonal erleichtert werden. Diese Verfügbarkeit führt zu einer besseren und schnelleren Entscheidungsfindung seitens des medizinischen Personals und erleichtert eine individuelle Anpassung der Therapie.

DiGAs spielen somit eine Schlüsselrolle in der Digitalisierung des Gesundheitswesen. Sie erweitern die Funktionalitäten der Medizintechnik durch datenbasierte, vernetzte Lösungen, die Patient:innen befähigen, ihre Behandlung eigenständig zu steuern. Das Zusammenspiel zwischen Medizingeräten und DiGAs versetzt Patient:innen daher zunehmend in die Lage, Verantwortung für ihre eigene Gesundheit zu übernehmen – ein zentraler Aspekt des „Patient Empowerment“. So tragen diese Technologien aktiv dazu bei, den Alltag der Patient:innen zu erleichtern: Sie erinnern an die Medikamenteneinnahme, überwachen Gesundheitsdaten und helfen, gesündere Lebensgewohnheiten zu entwickeln. Dies führt nicht nur zu besseren Therapieergebnissen, sondern auch zu einer spürbaren Entlastung des medizinischen Fachpersonals, da weniger direkte Betreuung notwendig ist.

Ärzt:innen können DiGAs verordnen, so dass die Krankenkassen die Kosten übernehmen. Die bisher zugelassenen DiGAs decken dabei ein breites Spektrum ab – von der Unterstützung bei der Bewältigung chronischer Erkrankungen bis hin zur Förderung psychischer Gesundheit.

Telemedizin und ePA

Elektronische Patientenakten (ePA) und Telemedizinplattformen sind entscheidende Technologien, um den Informationsfluss zwischen medizinischen Einrichtungen und Patient:innen zu optimieren und die Gesundheitsversorgung effizienter zu gestalten. Die ePA ermöglicht den Patient:innen, ihre Gesundheitsdaten jederzeit einzusehen und bei Bedarf mit Ärzt:innen oder anderen Gesundheitseinrichtungen zu teilen. Für Ärzt:innen bedeutet dies den direkten Zugriff auf umfassende, aktuelle Patientendaten, die über telemedizinische Plattformen problemlos und in Echtzeit besprochen werden können – ganz ohne den Bedarf an einem persönlichen Praxisbesuch. Besonders in ländlichen Regionen mit begrenztem Zugang zu medizinischen Fachkräften trägt die Telemedizin dazu bei, Lücken in der Gesundheitsversorgung zu schließen und Wartezeiten für Behandlungen zu reduzieren. Dies spart wertvolle Zeit, verringert Fehler und ermöglicht eine schnellere Diagnose und Behandlung.

Bessere Medizintechnik durch Digitalisierung

Die Digitalisierung ermöglicht der Medizintechnik nicht nur präzisere Diagnosen und personalisierte Behandlungsansätze, sondern trägt auch zur Entlastung des Fachpersonals bei. Technologien wie 3D-Druck, robotergestützte Chirurgie und minimal-invasive Verfahren steigern die Genauigkeit und Effizienz medizinischer Eingriffe. Patienten profitieren von weniger invasiven Behandlungen und kürzeren Genesungszeiten. Gleichzeitig reduzieren automatisierte Prozesse und präzise Therapie- und Diagnosetools den Arbeitsaufwand für Fachkräfte, indem Routineaufgaben vereinfacht und Entscheidungen beschleunigt werden.

Die Rolle von Big Data und künstlicher Intelligenz in der Medizintechnik

Auch Big Data und Künstliche Intelligenz (KI) besitzen das Potenzial, als wahre Gamechanger in der Medizintechnik zu wirken und Innovationen maßgeblich voranzutreiben. Sie ermöglichen die Analyse von Gesundheitsdaten in Echtzeit, um somit klinische Entscheidungen schneller und fundierter zu treffen. In Kombination mit prädiktiver Analyse können Patientenrisiken frühzeitig erkannt und proaktive Maßnahmen ergriffen werden, bevor sich schwerwiegende Symptome entwickeln.
Für Medizintechnikhersteller ist es zukunftsweisend, diese datengetriebenen Technologien in ihre Geräte zu integrieren, um eine präzisere und effizientere Patientenversorgung zu ermöglichen.  Die zunehmende Menge an Gesundheitsdaten wirft allerdings auch Fragen zur Sicherheit auf. Strenge Datenschutzvorschriften verlangen, dass Patientendaten bestmöglich geschützt werden. Daher steht die sichere Verschlüsselung und Verwaltung von Daten im Mittelpunkt der Entwicklung neuer Big-Data-Lösungen in der MedTech-Branche. Somit können diese Technologien nur durch den Aufbau von Vertrauen nachhaltig in der medizinischen Praxis etabliert werden und dadurch zu einer effizientere Therapiegestaltung und Entlastung des Fachpersonals beitragen.

 

Ein vernetztes Ökosystem für die Zukunft

Die Digitalisierung allein kann nicht alle Herausforderungen lösen. Es bedarf eines gut funktionierenden Ökosystems, in dem Technologie, medizinisches Fachwissen und das Verständnis für die Bedürfnisse der Patient:innen optimal aufeinander abgestimmt sind. Ein solches System setzt voraus, dass Ärzt:innen und Patient:innen bereit sind, neue Technologien aktiv in den Alltag zu integrieren. Nur so kann der Übergang zu einer digital gestützten Versorgung erfolgreich gelingen. Ein zentraler Aspekt für die Zukunftsfähigkeit dieses Ökosystems ist die Interoperabilität der Medizinprodukte. Vom Gesetzgeber gefordert, stellt sie sicher, dass unterschiedliche Geräte und Anwendungen nahtlos miteinander kommunizieren können – weg von isolierten Insellösungen, hin zu einer umfassenden Vernetzung. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die MedTech-Industrie, indem sie langfristig tragfähige Lösungen entwickelt, die nicht nur technologisch innovativ, sondern auch praktisch umsetzbar und benutzerfreundlich sind. Das Ökosystem der Diabetesversorgung der Zukunft zum Beispiel umfasst bereits jetzt eine Vielzahl an fortschrittlichen Lösungen, die kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Fazit: Digitalisierung und smarte Medizintechnik als Schlüssel zur Zukunft der Versorgung  

Die Digitalisierung ist keine Zukunftsvision mehr, sondern eine gegenwärtige Realität, die wir aktiv gestalten müssen. Sie bietet uns die Möglichkeit, die Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung zu bewältigen und eine qualitativ hochwertige Betreuung auch in Zeiten knapp werdender Ressourcen sicherzustellen. Der Einsatz innovativer Medizintechnik und vernetzter Geräte spielt dabei eine entscheidende Rolle. Durch die Integration solcher Technologien können Prozesse optimiert, die Patientenversorgung verbessert und Versorgungslücken geschlossen werden. Die Zusammenarbeit zwischen der MedTech-Branche, Ärzt:innen und Patient:innen ist dabei entscheidend, um die Vorteile der Digitalisierung vollständig zu nutzen, bestehende digitale Angebote auszubauen und neue Lösungen voranzutreiben. Die Kombination aus innovativer Hardware und intelligenter Software ermöglicht eine effizientere, präzisere Versorgung. Von vernetzten Medizintechniklösungen bis hin zur Automatisierung von Prozessen in Krankenhäusern – die Chancen, die durch die digitale Transformation entstehen, sind immens und bieten für Patient:innen, Ärzt:innen und das gesamte Gesundheitswesen neue Perspektiven.

Angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen ist es unerlässlich, keine Angst vor neuen Ufern zu haben. Die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Deutschland ist nicht düster, sondern voller Chancen – wenn wir bereit sind, diese zu ergreifen.

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