No Risk, No Health: Eine Weihnachtspredigt

Schön, dass Sie sich zum Jahresausklang noch einmal die Zeit für einen gemeinsamen Blick in meine letzten Digital Health Notizen vor der Weihnachtspause – der „staden“ Zeit – nehmen. Plätzchen, Glühwein, viele gute Vorsätze, Geschenke – und Sissi! Wie anders also könnte ich Ihr ganz persönliches Adventsglück komplettieren als mit einer letzten Schlittenfahrt durch die schneebedeckte Welt der Digital Health.

Keine Angst, eine weitere Rückschau auf unser Gesundheitssystem, einen Digital Health Jahresrückblick, werde ich Ihnen und mir ersparen. Stattdessen habe ich mich für eine – ganz und gar säkular gehaltene – Weihnachtspredigt entschieden. Schon wieder eine Standpauke für die Politik? Noch ein Aufruf zur Zeitenwende bei Apotheken? Neue Forderungen an die Industrie? Mitnichten: Politik, Industrie, Verbände und Kassen sind in unserer Runde hier oft genug Thema und Adressaten – und auch sie haben sich zumindest einmal im Jahr eine „stade Zeit“ verdient. Meine Predigt geht an Sie, liebe Leserinnen und Leser.

Apropos Messe – gehen wir einen Schritt zurück: Wenn wir – oder zumindest viele von uns – uns mit einem nach wie vor schwertun, dann ist es, um Unterstützung zu bitten. Wenn es dann doch einmal passiert, fällt das auf, ganz besonders in der Politik. Und so war die Gesundheitsmesse des bitkom, die Digital Health Conference, vergangene Woche in Berlin für mich eine spannende, überraschende und sehr positive Erfahrung: Hochkarätige Speaker aus Politik, Pharma, MedTech, und Venture Capital beschäftigten sich mit Status Quo und Zukunft der digitalen Gesundheit und Versorgung. Differenziert, fernab jeder Naivität gegenüber den grundlegenden Herausforderungen, konstruktiv. Und vor allem immer wieder mit einem Appell: „Tragt die frohe Botschaft in die Welt!“ Also: sinngemäß zumindest. Die Message an die Konferenzteilnehmer war klar: „Wir kennen die Herausforderungen bei der Digitalisierung unseres Gesundheitssystems. Aber es nützt auch nichts, nicht über die Chancen und Potenziale zu sprechen – also sprecht bitte darüber!“ Eine gute Einstellung, wie ich finde, und Grund genug für mich, an dieser Stelle hier auch einmal missionarisch tätig zu werden.

Lesung aus dem ersten Buch „Gesundheitsdatennutzungsgesetz“: Und es begab sich, dass der König ein Gesetz erlies, auf dass die Gesundheitsdaten seiner Bürger sicher digital gespeichert und pseudonymisiert für die medizinische Forschung nutzbar gemacht werden sollten. Doch sein Volk tobte, denn „aber der Datenschutz!“. „Meine Gelehrten schätzen“, erwiderte der König, „dass mehr als fünfundzwanzigtausend von Euch jedes Jahr aus unserer Mitte gerissen werden, weil sie die falschen Medikamente kombinieren. Wüssten Patienten, all ihre Ärzte und all die Apotheker immer, welche Medikamente bereits verordnet wurden, es wären so viele weniger!“. „Aber der Datenschutz!“ polterte das Volk. „Jede fünfte Einweisung im Krankenhaus geht geschätzt auf falsche Medikamenten-Kombinationen zurück.“ „Jede Fünfte!“, wiederholte die Menge. Der König erwiderte mit sanfter Stimme: „Die seltensten Krankheiten könnten wir erforschen, lindern, gar heilen, wenn wir die vorhandenen Daten nur nutzen würden.“ „Orphan Diseases betreffen doch nur eine winzige Anzahl von Menschen, dafür sollen wir den Datenschutz aufgeben?“ erschallte es aus der Menge. „Da habt Ihr Recht, doch gibt es wohl zwischen 5.000 und 8.000 solcher Krankheiten allein in unserem Land, man sagt, dass 6-8% unseres Volkes betroffen sind. 30 Millionen Menschen in der EU und 300 Millionen weltweit – sind das wirklich so wenige?“ gab der König zu bedenken und fuhr fort „Nun greift in Eure Taschen und zieht den Zettel heraus, auf dem ein Arzt im Notfall alle notwendigen Gesundheitsdaten finden kann: Chronische Erkrankungen, Medikamente, OPs, Allergien, Notfallkontakte, Eure Ärzte.“ „Woher sollen wir so einen Zettel haben? Und außerdem: Wie oft kommt das denn vor? Und der Datenschutz!“ rief das Volk verärgert. „5,54 Millionen mal pro Jahr“ erklärte der König. „5,5 Millionen Notarzteinsätze“ raunte es aus der Menge. „300 Millionen Menschen“ murmelte jemand an anderer Stelle. „25.000 von uns, jedes Jahr“ wiederholte jemand anderes. „Aber der Datenschutz…“ polterte es erneut. „…ist eines unserer höchsten Gebote und muss auch hier beachtet und geschützt werden – er ist aber vielleicht auch einfach nicht das Einzige, was wir bedenken sollten, wenn wir in unserem Gesundheitssystem vorankommen wollen.“ ergänzte der König sanft. „…vielleicht nicht alles.“ hörte man es in der Menge.

Liebe Gemein… liebe Leserinnen und Leser: Dass es zu jedem politischen Vorhaben, zu jeder technologischen Neuerung, zu jeder Veränderung im Allgemeinen immer ein Für und Wider gibt, ist mir und Ihnen klar. Dass der Umgang mit und der Schutz von hochsensiblen Gesundheitsdaten ein Grundrecht und ausschlaggebend für unser Vertrauen in Institutionen und Unternehmen ist: Haken dran. Dass gesellschaftliche und politische Diskussionen einfacher aus einer Perspektive der Vorsicht, Angst und Risikominimierung zu „gewinnen“ sind: Sicher. Meine Bitte wäre zum Ende eines turbulenten Digital Health Jahres und mit vielen Herausforderungen für das neue Jahr im Gepäck: Behalten Sie die Chancen ebenso im Blick wie die Risiken. Und sprechen Sie über die Chancen mindestens ebenso oft, wie über die Risiken. Vielleicht gehen wir als Gesellschaft dann auch wieder ein paar mehr Risiken ein, damit die Chancen auch eine Chance haben.

In diesem Sinne steige ich für dieses Jahr von der Kanzel, klappe mein Notizbuch zu und rede mit meinen Nachbarn beim Adventskekse essen über die Chancen des GDNG für unser Gesundheitswesen. Ich wünsche Ihnen erholsame Feiertage und einen guten Rutsch in ein gesundes neues Jahr – wir sehen uns im neuen Jahr an dieser Stelle wieder, wenn Sie mögen.

Ihr Torsten Christann

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