Rückblick auf die DMEA – oder da fehlt doch was? 

Wie schön, dass Sie wieder zusammen mit mir durch meine Digital Health Notizen blättern, in denen ich auf aktuelle Entwicklungen im weiten Feld der „Digital Health“ blicke. Heute schaue ich mit Ihnen zurück auf die DMEA in Berlin, Europas Leitveranstaltung für die digitale Gesundheitsversorgung. 

Drei Tage lang trafen sich mehr als 18.600 Besucher:innen zum Networking, Debattieren und Austauschen. Wir konnten mehr als 350 Speaker:innen zuhören und uns an Ständen von mehr als 800 Austellern aus über 30 Ländern über die neuesten Entwicklungen in der digitalen Medizin, in der Nutzung von KI im Gesundheitswesen oder beim Einsatz digitaler Lösungen in Pflege und Therapie informieren. 6 Messe-Hallen und 2 große Bühnen voll geballter Kompetenz für die Zukunft unseres Gesundheitswesens – für mich alles sehr beeindruckend und bestätigend, dass die stockende Digitalisierung bei uns nicht durch ein mangelndes Angebot smarter und innovativer Lösungen verursacht wird. 

Beim Lauschen der inspirierenden und visionären Vorträge klang die Umsetzung der Digitalisierung im Gesundheitswesen gar nicht mehr soweit entfernt und weniger komplex als sonst. Sogar als unser Gesundheitsminister Karl Lauterbach in seiner Keynote das Potenzial von KI für die Früherkennung von Krankheiten und für individuell zugeschnittene Therapien betonte, kam bei mir eine selten gefühlte positiv berauschende Grundstimmung auf – obwohl die Cannabis-Legalisierung kein Thema war. So viele gleichgesinnte Digital Health Enthusiasten, so viele digitale Lösungen interoperable über die Cloud allen Leistungserbringern und Therapie-Beteiligten immer und einfach zur Verfügung stehend. Daran liegt es also auch nicht, dass die Digitalisierung so schleppend voran kommt. 

Und selbst die Krankenkassen waren mit großem Aufgebot vor Ort, präsentierten Ihre ePAs, eRezept-Lösungen und mannigfaltigen digitalen Angebote für ihre Versicherten. Auch hier auf Kostenträger-Seite alles bereit für die Digitalisierung. Die Aktivierung meiner persönlichen ePA am Stand meiner Krankenkasse scheiterte zwar, weil ich dazu die PIN hätte parat haben sollen, die mir mal vor langer Zeit als Brief zugesendet worden ist. Irritierender Weise kann man sich nicht einfach eine neuen PIN zusenden lassen, wenn dieser ominöse Brief verschwunden ist – PIN und Chip-Karte bilden eine so unzertrennliche Einheit, dass man immer beides neu bekommt, wenn ein Teil verloren geht. Das ist für die Kassen ein echtes Problem, da es vielen Versicherten wie mir geht und sie die PIN verloren haben: Neue PIN, neue Chip-Karte und somit unverhältnismäßig hohe Kosten, da die Karten nicht gerade günstig für die Krankenkasse sind. Aber ich schweife ab – also auch hier der Eindruck, es liegt nicht an den Kassen, dass wir bei der Digitalisierung nicht voran kommen.  

Ganz beschwingt von der allgegenwärtigen Aufbruchsstimmung, von den bestätigenden Blicken in die hoffnungsvoll glänzenden Augen meiner Gesprächspartner und von den vielen, vielen tollen Produkten saß ich nach Tag 3 im Zug nach Hause. Und dann beschlich mich plötzlich so ein Gefühl von „da fehlt doch was!“. Sie kennen das bestimmt, nach dem Einkauf beim Blick in den Kofferraum – dieses diffuse Gefühl von „da fehlt doch was“. Oder kurz vor der Abfahrt in den Urlaub beim letzten Blick in den Koffer – „da fehlt doch was“. Trotz längerem Grübelns konnte ich mir nicht erklären, was mir da gefehlt hat. Aber das Gefühl ging auch nicht weg.   

1 Tage später war ich bei meinem Arzt, Routine-Untersuchung. Beiläufig fragte er mich nach meinen Aktivitäten der Woche und ich erzählte ihm begeistert von meinem Erlebnis DMEA. Auf meine Frage, ob er auch dort gewesen sei, um sich die neuesten digitalen Lösungen für seine Praxis anzuschauen, antwortete er etwas genervt, dass er für so was nun wirklich keine Zeit hätte. Und da viel es mir wie Schuppen von den Augen: Was auf der DMEA fehlte, waren die Ärzt:innen und Ärzte. Es fehlten die, die den Großteil all der interoperablen und innovativen Produkte, die digitalisierten Prozesse rund um ePA und eRezept sowie die smarten Praxisverwaltungssysteme im Alltag anwenden sollen. Aber ohne sie wird es nichts werden mir der schönen digitalen Gesundheits-Welt. Ist das der Grund, warum es bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen hapert: wir vergessen im Rausch des Möglichen und der vielen Chancen, die Anwender:innen mitzunehmen? Die Diskrepanz zwischen der Stimmung und den gezeigten Lösungen auf der DMEA und der realen Krankenversorgungswelt ist nach wie vor frappierend. Wenn wir es nicht schaffen, dass zwischen diesen beiden Parallelwelten Brücken entstehen, so dass sie sich aufeinander zubewegen (können), müssen wir vermutlich tatsächlich auf den vielbeschworenen Generationenwechsel warten, um mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzukommen. 

Ich gehe jetzt meine PIN suchen, um vielleicht doch noch meine ePA zu aktivieren, ohne meiner Krankenkasse unnötige extra Kosten zu verursachen. Wir lesen uns gerne an dieser Stelle in 4 Wochen wieder – wenn Sie mögen. 

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